Welternährung

Hermann Kroll-Schlüter

Staatssekretär a.D.

Präsident des Internationalen Ländlichen Entwicklungsdienstes (ILD)

Vorstandsmitglied des Ökosozialen Forum Europa

 

Die Menschheit steht vor der Herausforderung, dass die Erde bis 2050 von 9 Milliarden Menschen bevölkert sein wird.

7,4 Milliarden Menschen leben heute, davon 80 % in Entwicklungsländern. Die Weltbevölkerung wächst. Es müssen mehr Nahrungsmittel produziert werden. 

Ausreichend Nahrungsmittel gibt es schon heute, aber ungenügende Verteilung, fehlende Kaufkraft und schlechte Infrastruktur, ungerechte Landverteilung, Kriege und Korruption führen zu dieser Katastrophe

4 Milliarden Menschen, also zwei Drittel der Menschheit haben zu wenig vom internationalen Handel. 3 Milliarden Menschen leben in bitterer Armut. Die Vorboten scharfer Konflikte sind auch bei uns angekommen: Kriege, Seuchen, Migrationen, Umweltprobleme, Terrorismus.

Fast 1Mrd. Menschen hungern und mehr als 2 Milliarden leiden unter Mangelernährung.

  75 % der Hungernden leben auf dem Lande, also dort, wo Nahrung produzierte wird - warum? Weil den Menschen dort Eigentum, Infrastruktur, hochwertiges Saatgut, Zugang zu Krediten und zu Bildung verwehrt werden. 

Mehr als 2,2 Millionen Kinder sterben jedes Jahr durch Mangel-oder Unterernährung.

Andererseits sind 1 Milliarde Menschen übergewichtig. 30 % einer jeden Ernte weltweit gehen verloren. 30 % aller Lebensmittel in den Industriestaaten werden weggeworfen.


 Ackerbaulich werden weltweit zurzeit 1,5 Milliarden Hektar ha genutzt. Insgesamt verfügbar sind 4,2 Milliarden ha, die Hälfte davon Wald, der auch unsere Ernährung sichert. Für 1,6 Milliarden Menschen bildet er die wesentliche Lebensgrundlage.
 Der entscheidende Faktor in der Landwirtschaft ist das Wasser. Die Landwirtschaft ist der größte Wasserverbraucher. Für die Produktion von 1 kg Fleisch werden 20 t Wasser gebraucht.
Weltweit werden knapp 2 % der Nutzfläche für den Anbau von nachwachsenden Stoffen genutzt, in Deutschland sind es 3 %
In 2020 könnten in Deutschland 3-5-Millionen ha oder rund 17% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche für die Erzeugung von Bioenergie verfügbar sein ohne die Lebensmittelversorgung zu gefährden.
 
Das Recht auf Nahrung ist ein menschliches Grundrecht, jeder Mensch muss Zugang haben zu einer ausreichenden Menge gesunder Lebensmittel, die seinen Ernährungsgewohnheiten entspricht und die es ihm ermöglichen, ein Leben in Würde zu führen. Ernährungssouveränität ist das Recht jedes Einzelnen und jeder Nation, ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren. Das Menschenrecht auf angemessene Ernährung ist Teil des geltenden Völkerrechts.
Ernährungssicherheit besteht, wenn alle Menschen zu jeder Zeit physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang ausreichender, gesundheitlicher und bedenklicher und nährstoffreicher Nahrung haben, um so ihre Ernährungsbedürfnisse und Nahrungsmittelpräferenzen zu Gunsten eines aktiven und gesunden Lebens befriedigen zu können. Die vier Säulen der Ernährungssicherheit sind Verfügbarkeit, Versorgungsstabilität, Zugang und Nutzung.
Die FAO geht davon aus, dass mit besseren Verfahren und den vorhandenen natürlichen Ressourcen rund 12 Milliarden Menschen ernährt werden könnten.
Zur Sicherung der Ernährungsgrundlagen und der Energiegewinnung bei Klimawandel, wachsender Bevölkerung und neuer Ernährungsgewohnheiten brauchen wir Innovation und Effizienzsteigerung, Ertragssicherung und Ertragssteigerung.
Allgemeiner: für die weltweite Wohlstandsentwicklung kann auf den internationalen Handel nicht verzichtet werden.
In dieser Zeit, in der Globalität und Freihandel heftig kritisiert werden, kann aber auch berichtet werden:
1990 lebten 1926Milliarden auf der Welt in extremer Armut = weniger als 1,25 Dollar am Tag zum Leben. Im Jahre 2015 waren laut UNO 863 Millionen Menschen.
Joseph Höffner: das Ziel der Wirtschaft besteht vielmehr in der dauernden und gesicherten Schaffung jener materiellen Voraussetzungen, die dem einzelnen und den Sozialgebilden die menschenwürdige Entfaltung ermöglichen… die Geschichte lehrt, dass Freiheit und Würde des Menschen weithin vom Ordnungssystem der Wirtschaft abhängen…
 
Die Mehrheit der Deutschen ist zufrieden, hat aber Zukunftsangst. Und das hat auch mit der Globalisierung zu tun.  Gleichzeitig ist die Globalisierung die Chance, um den Hunger erfolgreich zu bekämpfen. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Globalisierung gestalten.
 
In der lokalen Perspektive sieht das so aus: die Wissenschaft in den Dienst der bäuerlichen Landwirtschaft stellen, indigenes (ursprüngliches) Wissen nutzen, die lokalen Gegebenheiten und den kulturellen Zusammenhang beachten, Vielfalt fördern, Nachernteverluste reduzieren (40 % Verlust bei Reis in Indien, die bei der Lagerung und Verarbeitung und beim Transport entstehen)
 
In globaler Perspektive so:
Bundeswirtschaftsminister Gabriel: im 21. Jahrhundert die soziale Marktwirtschaft global anwenden
Kurienkardinal Peter Turkson: die soziale Marktwirtschaft ist Vorbild, statt die Globalisierung zur Maximierung des eigenen Gewinns auszunutzen, müsse in eine nachhaltige Entwicklung investiert werden.
Papst Franziskus 6.5.2016 Karlspreis Verleihung: „Das erfordert die Suche nach neuen Wirtschaftsmodellen, die in höherem Maße inklusiv und gerecht sind. Sie sollen nicht darauf ausgerichtet sein, nur einigen wenigen zu dienen, sondern vielmehr dem Wohl jedes Menschen und der Gesellschaft. Und das verlangt den Übergang von einer „verflüssigten“ Wirtschaft zu einer sozialen Wirtschaft. Ich denke zum Beispiel an die soziale Marktwirtschaft, zu der auch meine Vorgänger ermutigt haben (vgl. Johannes Paul II. Ansprache an den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, 8. November 1990)
 
 
Die Marktwirtschaft ist das Pendant zur Demokratie. Durch ordnungspolitische Regeln und Institutionen wird die Marktwirtschaft zu einer freiheitssichernden Wirtschaftsordnung. Soziale Marktwirtschaft das bedeutet: der Staat oder die Staatengemeinschaft setzen die Spielregeln, das Spiel machen die Bürger. Privateigentum, Vertragsfreiheit, Wettbewerb, offene Märkte, freie Preisbildung, stabiles Geldwesen und Haftung sind dafür wichtige Regeln. Das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte braucht einen verbindlichen Rechtsrahmen. Damit möglichst alle Länder der Welt von der Globalisierung profitieren, wäre ein internationaler Ordnungsrahmen hilfreich: Gute Spielregeln, die dafür sorgen, dass die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft überall Anwendung finden.